Der Tischler mit dem Tixo

„Ah, das passt schon. Psscht!“

sagte Ingo.


Wie man es von einem verantwortungsbewussten Fahrzeughalter erwartet, wurde vor Reiseantritt das Transportmittel noch einmal genau unter die Lupe genommen.
Nach dem Tanken wurde Ölstand und Reifendruck überprüft und für in Ordnung befunden, Leuchtweite aufgrund des erhöhten Gepäckaufkommens reguliert und Wisch-Wasch-Wasser nachgefüllt.

Beim Blick unter die Motorhaube wurde jedoch ein leichtes Zischen vernommen. Gemeinsam haben wir nach dem Ursprung gesucht und einen leichten, kaum sichtbaren Schrick im Kühlflüssigkeitsbehälter lokalisiert.

„Hmm!“ *am Kopf kratz*

Tischler Ingo – nie um ein sofortige Improvisation verlegen – suchte im Auto nach tauglichem Ersatz- und Reparaturmaterial. Und siehe da, ein kleine Tixorolle kam zum Vorschein.

„Nie ohne Handtuch außer Haus gehen. Und nie ohne Tixo in diesem Fall!“

wusste Ingo und ich nickte zustimmend.

So, geschafft! Alles umwickelt und befestigt. Der kleine Riss wurde gekonnt mit dem Tixo abgedeckt. Perfekt.
Beim Zuklappen der Motorhaube deutete mir Ingo mit einer eindeutigen Geste über diese kleine Behälterergänzung kein Wort zu verlieren. Wir waren ja schon spät dran und wollten am Nachmittag noch in die kroatische Adria springen.

Auf geht’s, der Kühlschrank hinten im Kofferraum war gepackt mit Bier und Most. Nie ohne heimische Getränke eine Reise antreten! Schon in Kürze war klar, man kann nie genug Reiseproviant mit dabei haben.

Flugs wurde die Reisegruppe mit Bernhard und Günter komplettiert, ein Reiseantrittsfoto angefertigt und los ging’s.

Die Stimmung war gut. Die Sonne schien heiß und gleißend auf die A11. Sehr heiß, dachte sich auch der notdürftig geflickte Behälter. Der fachmännisch angebrachte Tixostreifen wollte aus unerfindlichen Gründen dem zunehmenden Innendruck einfach nicht standhalten. 

Auf Höhe von St. Jakob stieg weißer Rauch aus dem weißen Transporter. Die Reisegruppe richtete sich am Pannenstreifen auf eine längere Reiseunterbrechung ein. Warum so weit in die Ferne schweifen, wenn man eh alles dabei bzw. vor der Nase hat? Most und Bier aus dem Kühlschrank im Kofferraum, die erfrischende Drau neben der Autobahn. Ok, für den Sprung ins kalte Nass musste die Autobahn überquert werden – in der Nachbetrachtung nicht ganz ungefährlich und äußerst leichtsinnig. Heute sagt man wohl YOLO dazu!

In der Zwischenzeit wurde der KFZ-Mechaniker des Vertrauens aktiviert, der nach der ersten Diagnose seinen Helfer verständigte, um die notwendigen Ersatzteile anzuliefern. Eine Autobahn hat jedoch die Eigenart, dass man nicht einfach hin und zurück fahren kann. Dadurch wurde der Helfer gezwungen, zweimal eine Rundreise anzutreten, weil beim ersten Anlieferungsversuch nicht gleich alle Teile gepasst haben.

Langer Schreibe, kurzer Sinn. Die Reise konnte schließlich kurz vor Sonnenuntergang fortgesetzt werden, Most und Bier – eigentlich für eine Woche Camping vorgesehen – gingen schon am ersten Tag zu Neige.


Beim Öffnen der Motorhaube am Pannenstreifen musste der Tischlermeister nicht lange schauen. Der Tixostreifen am zerplatzten Behälter wurde unauffällig und gekonnt – und vor allem rechtzeitig vor neugierigen Augen und daraus resultierenden Fragen – entfernt. Dieses belastende Beweisstück ward von da an nie mehr gesehen.

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